Donnerstag, 8. Dezember 2011


Beatrice Ritter ist seit 2011 eine der 24 Staatsanwätinnen und Staatsanwälte der Region Bern-Mittelland. Sie begann ihre Tätigkeit in der bernischen Justiz vor fast 15 Jahren, damals als Untersuchungsrichterin. In ihrer Funktion als Staatsanwältin ist sie unter vielem mehr für Verfahren bei Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexuellen Handlungen mit Kindern zuständig.       

Wofür setzen Sie sich ein?
Ich arbeite als Staatsanwältin in der Strafverfolgung, d.h. Strafverfahren wegen Delikten gegen die sexuelle Integrität sind daher nicht ein Engagement, sondern Teil meiner Arbeit. Die Arbeit der Staatsanwaltschaft beginnt in der Regel mit der Meldung einer strafbaren Handlung durch die Polizei. Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist es dann - am Anfang eines Verfahrens in enger Zusammenarbeit mit der Polizei - abzuklären, was passiert ist. In Fällen sexueller Gewalt gehört dazu die Untersuchung des Opfers durch eine Ärztin der Rechtsmedizin, die Spurensicherung am Tatort durch die Spezialisten der Kantonspolizei und die Befragung des Opfers durch die Polizei. Aufgrund dieser ersten Erkenntnisse wird der Tatverdächtige ermittelt, befragt und in gewissen Fällen durch die Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft versetzt. Das Ziel einer strafrechtlichen Untersuchung ist es, abzuklären, ob sich der Anfangsverdacht bestätigt und in diesem Fall am Ende der Untersuchung beim zuständigen Gericht Anklage zu erheben.
Für Befragungen von Opfern sexueller Gewalt nehme ich mir genügend Zeit und informiere sie über den Ablauf des Verfahrens und die Opferhilfe. Ab und zu melde ich eine Frau auch direkt bei Lantana an, damit sie die notwendige Unterstützung erhalten kann. Oft kommen die Frauen aber auch bereits gut beraten und mit einer Anwältin zur Befragung. Mir scheint es auch wichtig, dass die erlebten sexuellen Uebergriffe direkt angesprochen werden. Meine Erfahrungen aus dem Berner Modell und meiner langjährigen Tätigkeit gebe ich auch in der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern weiter.

Was bewegt Sie in Ihrer Arbeit?
Die Folgen, die sexuelle Gewalt bei den Opfern hinterlassen kann.

Was sind für Sie wichtige Entwicklungen, die stattgefunden haben?
Die Vernetzung der in der Opferhilfe und Strafverfolgung tätigen Institutionen, z.B. im Rahmen des Berner Modells. Hier werden den Opfern verschiedene Möglichkeiten zur Anzeige bzw. Vornahme der Spurensicherung angeboten. Im weiteren die Einführung des Opferhilfegesetzes und damit eine Verbesserung der Stellung von Opfern im Strafverfahren, in dessen Zentrum die beschuldigte Person steht. Die Rechte der Opfer sind - soweit diese direkt das Strafverfahren betreffen - seit dem 01.01.2011 in der eidgenössischen Strafprozessordnung geregelt. So können Frauen, die Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Integrität wurden, verlangen, dass sie von einer Frau befragt werden, dass eine Gegenüberstellung mit dem Tatverdächtigen vermieden wird oder dass dem urteilenden Gericht mindestens eine Frau angehört. Ebenso dürfen Opfer die Aussagen zu Fragen verweigern, welche die Intimsphäre betreffen.

Was sind für Sie wichtige Entwicklungen, die noch stattfinden müssen?
Es muss dafür gesorgt werden, dass das bisher Erreichte konsolidiert und weiter entwickelt wird, auch wenn sich in den verschiedenen Institutionen personelle Wechsel ergeben. Wissen und Erfahrung dürfen nicht mit den Frauen der ersten Generation des Berner Modells in Pension gehen. Zudem muss neuen Phänomenen sexueller Gewalt, insbesondere unter Jugendlichen, Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Im Rahmen des Berner Modells wird derzeit daran gearbeitet, dass Frauen, die nach  einer Vergewaltigung eine medikamentöse Prophylaxe gegen eine HIV-Infektion einnehmen müssen, diese nur solange einnehmen müssen, bis geklärt ist, ob der Tatverdächtige mit HIV infiziert ist. Dazu müssen verschiedene Abläufe optimiert werden. 

Wer ist für Sie ein Vorbild zu diesem Thema?
Frauen, die sich ausserhalb von Europa in verschiedenen Hilfsprojekten für die Rechte von Frauen einsetzen, sich insbesondere auch für Opfer sexueller Gewalt und Ausbeutung engagieren.

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