Donnerstag, 1. Dezember 2011


Sabine Sequin ist Psychologin und arbeitet seit vielen Jahren im Berner Frauenhaus. Sie hat in dieser Zeit unzählige von häuslicher Gewalt betroffene Frauen betreut und begleitet. Viele der Frauen haben in ihrer Beziehung neben psychischer und physischer auch sexuelle Gewalt erlebt.   

Wofür setzen Sie sich ein?
Als Beraterin im Frauenhaus setze ich mich für Frauen  ein, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind und im Frauenhaus Hilfe suchen. Sexuelle Gewalt ist immer wieder ein Thema, jedoch nicht in jedem Fall.  Mein Ziel war und ist es, mit meiner Arbeit die gewaltbetroffenen Frauen auf ihrem Weg ein Stück weit zu begleiten, sie in ihrer Selbstbestimmung zu unterstützen, ihre Ressourcen zu fördern. 
Frauenfragen und insbesondere das Thema Gewalt gegen Frauen beschäftigen und berühren mich schon seit meiner Jugendzeit. Ich war selber kein Opfer, dieses Thema appellierte jedoch an meinen– damals noch etwas kindlichen- Gerechtigkeitssinn.  Ich habe mich immer in diesem Bereich engagiert und ich bin froh, dass ich meine Arbeit in diesem Feld  leisten kann. 

Was bewegt Sie in ihrer Arbeit?
Mich bewegt in meiner Arbeit, dass trotz viel Leid und Not Veränderungen möglich sind. Ich freue mich über die kleinen Schritte ebenso wie über grosse Entwicklungen. 

Was sind für sie wichtige Entwicklungen, die stattgefunden haben?
(Sexuelle) Gewalt gegen Frauen ist heute kein Tabuthema mehr und nicht mehr ausschliesslich Sache von Frauenorganisationen. Damit sich für die Betroffenen etwas ändert und diese Hilfe erhalten, braucht es ein Engagement verschiedener Instanzen und Personen.  Der Handlungsbedarf ist erkannt und entsprechende Gesetze und Angebote wurden geschaffen, um die Opfer zu unterstützen und ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen. Heute arbeiten Leute selbstverständlich zusammen, die sich vor Jahren noch mit Vorurteilen  und Argwohn begegnet sind. 

Was sind für Sie wichtige Entwicklungen, die noch stattfinden müssen? 
Was unsere Arbeit anbelangt, nämlich die Beratung von Opfern häuslicher Gewalt, gibt es noch Verbesserungspotential bei den Angeboten für Täter. In einigen Fällen wären wir froh, wenn Männer offensiver angesprochen würden und wir mit einer Partnerorganisation zusammenarbeiten könnten, die in Kontakt mit dem Täter steht. Einerseits könnte dies kurzfristig deeskalierend wirken, anderseits gibt es oft Fragen, über welche ein Paar oder eine Familie kommunizieren muss oder will. Eine Begleitung auf beiden Seiten könnte diesen Prozess in einem geschützten Rahmen initiieren und steuern. 

Wer ist für Sie ein Vorbild zu diesem Thema?
Ich habe kein Vorbild, weil es viele Personen gibt, die ihren Beitrag zur Verbesserung der Situation von Opfern von (sexueller) Gewalt geleistet haben. Besonders beeindrucken mich  Frauen, welche sich offen wehren gegen Gewalt oder einstehen für Opfer von sexueller und häuslicher Gewalt. Frauen, die mit ihrem Handeln grosse persönliche Risiken auf sich nehmen in Gesellschaften, wo es nicht selbstverständlich ist, dass Opfer von (sexueller) Gewalt Rechte haben, Respekt und Hilfe verdienen. 

1 Kommentar:

  1. Sexuelle Gewalt gegenüber Frauen UND Männern ist ein Thema und darf in beiden Fällen weder tabuisiert, noch bagatellisiert werden. Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist jedoch: Oft erleben Männer als Kleinkinder die erste (physische oder psychische) Gewalt in ihrem Leben von ihrer eigenen Mutter, einer Frau. Ist es verwunderlich, wenn gerade solche Buben, die von ihren feministischen (oder schlicht überforderten) Müttern zu braven Mädchen umerzogen und gebrochen werden sollen, später gegenüber Frauen gewalttätig werden? Sexuelle Gewalt ist Machtausübung, sie hat mit Sex selten etwas zu tun. Auch heute noch wird geschlagen, auch heute noch wird gezielt psychologisch Krieg geführt, um die Kinder Untertan zu machen. Die Gewalt von Müttern gegenüber ihren eigenen Kindern im von der Öffentlichkeit abgeschotteten Zuhause wird jedoch in der Schweiz tabuisiert, weil sie nicht in das Konzept der liebenden Mutter und selbstverständlich nicht gewalttätigen Frau passt (Statistiken über die neue Gewalt der jugendlichen Frauen von heute sprechen aber eine andere Sprache). Vielleicht sollte man einmal dort ansetzen, damit es besser wird. Das würde aber ein Umdenken der Feministinnen voraussetzen, und das wird nicht erfolgen, denn es ist viel einfacher, das Feindbild Mann zu kultivieren...

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