Freitag, 9. Dezember 2011



Cornelia Englmann ist Fachärztin für Gynäkologie und arbeitet seit 2007 im Zentrum für Familienplanung, Verhütung und Schwangerschaftskonfliktberatung. In diesem Rahmen untersucht sie jährlich rund 30 Frauen nach sexueller Gewalt. 

Wofür setzen Sie sich ein?
Neben der direkten Betreuung von Opfern nach sexuellen Übergriffen ist es unsere Aufgabe, Abläufe ständig zu optimieren. Dazu gehört auch, das Berner Modell als Anlaufstelle nicht nur bei Ärzten und Ärztinnen bekannt zu machen, sondern auch bei Einrichtungen und in der Bevölkerung. Dieses kann durch Beteiligung an Kampagnen, wie es z.B. bei den Kampagnen 16 Tage gegen Gewalt in den vergangenen Jahren der Fall gewesen ist, sowie durch Vorträge, Flyer  und in der Arbeit mit Jugendlichen geschehen. In meinen Augen sollte für eine Betroffene die Schwelle, sich untersuchen zu lassen, so tief wie möglich sein, auch um Infektionen zu verhindern und körperliche Beschwerden zu lindern. Eine Untersuchung, der keine polizeiliche Anzeige vorausgehen muss, ist daher sehr wichtig. Um aber keine Zeit zu verlieren, ist eine gleichzeitige Spurensicherung für eine etwaige spätere Anzeige ein ideales Modell. Im Weiteren unterstütze ich die Idee, dass die  Betreuung und Untersuchung durch Frauen erfolgt.

Was bewegt Sie in Ihrer Arbeit?
Es bewegt mich, zu sehen, wie die Betroffenen durch eine solches Ereignis „einfach so“ den Boden unter den Füssen weggezogen bekommen. Ebenso die gelegentliche Unterschätzung der Auswirkung eines solchen Erlebnisses durch z.B. Arbeitgeber, Bekanntenkreis, Familie, Partner. 

Was sind wichtige Entwicklungen, die stattgefunden haben?
Seit einigen Jahren gibt es eine enge Zusammenarbeit der einzelnen Disziplinen mit regelmässigem jährlichen Austausch im grossen Rahmen sowie im kleinen Rahmen mit einzelnen Institutionen alle zwei Monate oder nach Bedarf. Da sich die Ansprechpartner kennen, können Probleme auf dem kurzen Weg besprochen werden. Weiter konnte die Organisation rund um die Betreuung der Betroffenen verbessert und vereinfacht werden.

Was sind wichtige Entwicklungen, die noch stattfinden müssen?
Das Modell muss stetig verbessert und angepasst werden. Schön wäre es, wenn man für psychiatrische Notfallsituationen Kollegen oder Kolleginnen aus der Psychiatrie für unser Projekt gewinnen könnte und dort Ansprechpartner für Fragen hätte. Sicherlich gibt es auch von Seiten der Strafverfolgung zur Untersuchung der Täter auf Erkrankungen, besonders im Hinblick auf die Betroffene, noch Ausbaumöglichkeiten. Hier liessen sich unnötige Therapien wie z.B. die HIV Prophylaxe mit verschiedenen Nebenwirkungen vermeiden. Ferner sähe ich in der vermehrten Aufklärung über Verlauf und Möglichkeiten bei einer Anzeige vor einer Anzeigeerstattung, Verbesserungspotential. 

Wer ist für Sie ein Vorbild zu diesem Thema?
Als Vorbild gelten für mich all die Personen, die dieses Berner Modell ins Leben gerufen haben. Es war sicher nicht einfach, alle zu diesem Projekt zu begeistern und bestehende Meinungen und Vorgehensweisen zu verändern, vor allem die Möglichkeit zu schaffen, eine Untersuchung und Spurensicherung anzubieten ohne eine Anzeige vorher machen zu müssen. Dieses ist sicher auch dem Institut für Rechtsmedizin Bern zu verdanken. Des weiteren sind die Menschen ein Vorbild, die sich in anderen Ländern trotz Bedrohung ihres Lebens und das ihrer Familie für die Rechte und Betreuung von Vergewaltigungsopfern einsetzen. 

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