Freitag, 2. Dezember 2011


Dr. med. Ursula Klopfstein ist Fachärztin für Rechtsmedizin und Schulärztin. Sie arbeitet heute beim Gesundheitsdienst der Stadt Bern.  Früher arbeitete sie am Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern und betreute dort Opfer sexueller Gewalt. Sie publizierte mehrere  Arbeiten zum Thema sexuelle und häusliche Gewalt. 

Frau Klopfstein, wofür setzten und setzen Sie sich ein? Was bewegte Sie bei Ihrer Arbeit?
Bei meiner jetzigen Tätigkeit setze ich mich für  Prävention bei Kindern und Jugendlichen ein. Für Kinder ist es wichtig, früh genug zu erfahren, wann sie „nein“ sagen dürfen, und dass das Geltung hat. 
In meiner Arbeit als Rechtsmedizinerin habe ich einen Weg beschritten, der sehr gut vorbereitet wurde von meiner Vorgängerin Sabina Binda und natürlich meinen Vorgesetzten Herrn Prof. Zollinger und Herrn Prof. Dirnhofer. Ihnen war die korrekte Untersuchung von Opfern sexueller und körperlicher Gewalt und die Interdisziplinarität  immer sehr wichtig, und sie haben das "Berner Modell"  vorangetrieben. Auch haben sie es möglich gemacht, dass ich von 2004 bis 2008 als Oberärztin für klinische Rechtsmedizin angestellt werden konnte. Das war einmalig in der Schweiz. In dieser Funktion durfte ich die drei Dimensionen: Evidence Based Praxis (Untersuchung, Spurensicherung, Beurteilung), Lehre und ein wenig Forschung weitertreiben. Ganz wichtig war für mich die starke Vernetzung mit den anderen involvierten Stellen, zum Beispiel in Form des Berner Modells. Diese Zusammenarbeit war immer sehr wertvoll und befruchtend, auch entlastend. Es ist belastend und unnötig, solche Fälle alleine untersuchen und beurteilen zu müssen. Wichtig war uns auch immer die Unabhängigkeit der Untersuchungsqualität von einer Strafanzeige. In der Lehre, gerade vor Juristen, legte ich Wert auf den Begriff der Einvernehmlichkeit. Es gilt zu überprüfen, ob ein „ja“ eines Mädchens, einer Frau wirklich einvernehmlich war oder unter Druck oder Drogen und Alkoholeinfluss zustande kam. Gerade in Zusammenhang mit sogenannten „Gang Bang“- Vorfällen wurde mir das wichtig. Auch heute fällt mir immer wieder auf, dass sich viele Jugendliche selbst immer noch nicht bewusst sind, wo die Grenzen einvernehmlicher sexueller Handlungen zu sexueller Gewalt sind.

Was sind für Sie wichtige Entwicklungen, die stattgefunden haben? Welche Entwicklungen müssen noch stattfinden?
Im rechtsmedizinischen Zusammenhang wurde mir die Bearbeitung des Themas Häusliche Gewalt zunehmend wichtig. Dabei geht es mir um eine professionelle Arbeitsweise, bei der beispielsweise Fakten nach „state oft the art“ auf standardisierte Weise erhoben werden, sowie eine interdisziplinäre und spezialisierte Zusammenarbeit. Bei meiner Arbeit in der Schule bemerke ich, dass die Eigenständigkeit und Eigenverantwortung der Jugendlichen  sicher gewachsen ist. Die meisten Jugendlichen sind selbstbewusster geworden.  Aber die Ernsthaftigkeit sexueller Übergriffe und sexueller  Gewalt muss präsenter sein. Sie sollte auch in jedem Fall zu Konsequenzen führen.

Wer ist für Sie ein Vorbild zu diesem Thema?
Die Frauen, die Dominique Strauss-Kahn angezeigt haben. Sie haben die Gewalt nicht geduldet und hatten den Mut, zu ihren Rechten zu stehen!

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