Samstag, 10. Dezember 2011


In diesem Blog wurden vom 25. November bis heute, 10. Dezember engagierte Frauen aus Bern porträtiert, die sich beruflich oder ehrenamtlich für Frauen einsetzen, die sexuelle Gewalt erlitten haben. Wir möchten an dieser Stelle den beteiligten Frauen für ihren Beitrag und das dahinterstehende Engagement danken! Das Ende der diesjährigen Kampagne ist nicht gleichzeitig das Ende unseres Blogs. Er ist eine Plattform, auf der viele spannende Beiträge zusammengekommen sind. Diese bleiben auch weiterhin einsehbar, und wir werden diese Plattform auch für zukünftige Aktionen nutzen. Zum Abschluss haben wir Christine Sieber um ein Fazit gebeten. 

Jenny Lütjens
Sandra Schertenleib
Bern, den 10.12.2011


„Das Vertrauen ist schneller verchachelt als wieder hergestellt" 

Nach dem Lesen dieser Portraits kommt eine angenehme Ruhe auf. Eine Ruhe, die aus der Gewissheit kommt: Frauen, die Gewalt, auch sexuelle Gewalt erfahren haben, werden im Kanton Bern mit Respekt und Sorgfalt behandelt. Sei es durch Therapeutinnen, Anwältinnen oder Ärztinnen, sei es seitens der Polizei, Rechtsmedizin oder Staatsanwaltschaft. Begriffe wie „Selbstbestimmung unterstützen“, „Ressourcen stärken“, „Zusammenarbeit optimieren“, „Sicherheit vermitteln“, „Vertrauen aufbauen“ scheinen für alle diese Frauen ein Grundlage ihres Engagements zu sein. „Menschlichkeit“ wird „vor Juristisches und Formelles“ gestellt. Als Vorbild wurden die Pionierinnen des Berner Modells angeführt mit ihrer Hartnäckigkeit, die sie in den Anfangszeiten an den Tag legen mussten, aber auch die Frauen auf der ganzen Welt, welche mit ihrem Einsatz gegen Gewalt grosse persönliche Risiken auf sich nehmen. Durchwegs setzen sich die interviewten Frauen dafür ein, gewaltbetroffenen Frauen eine sorgfältige, von Respekt und Professionalität geprägte Unterstützung zu ermöglichen. 
Zum Abschluss des Blogs „Spuren starker Frauen“ habe ich aus den Portraits dieser 13 Frauen ein paar Aussagen heraus gepickt. Jeder Schritt, der getan wird, hinterlässt eine Spur. Auf dass noch viele weitere Schritte auf dem Weg zu einer gerechten Welt geschehen!

„In diese erste Zeit fiel auch die Entwicklung des sogenannten ‚Berner Modells‘, einer interinstitutionellen Zusammenarbeit zwischen Beratungsstelle, Familienplanungsstelle, Institut für Rechtsmedizin und Polizei. Diese zu etablieren, war nicht einfach, zumal sich die Interessen der Deliktverfolgung und diejenigen der Betroffenen in einigen Punkten widersprachen und die Beratungsstelle als feministisches Projekt unter dem Verdacht stand, Anzeigen eher zu verhindern als zu fördern. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es den VertreterInnen der beteiligten Institutionen jedoch, das gegenseitige Vertrauen durch konkrete Erfahrungen der Zusammenarbeit und regelmässige Austauschtreffen zu stärken und das Berner Modell als gemeinsames Angebot für Betroffene in der Öffentlichkeit bekannt zu machen.“ (Pia Thormann, Fachpsychologin für Psychotherapie FSP, frühere Mitarbeiterin von Lantana)

„Sexuelle Gewalt an Frauen und Mädchen war in früheren Zeiten stark geprägt von männlicher Wahrnehmung und Wertung. Dies war bei Polizei und Justiz nicht anders. Die bei betroffenen Frauen und Mädchen häufig vorhandenen Schuldgefühle wurden nicht selten verstärkt mit unsensiblen Fragestellungen. (...)“ (Irene Pellet, Polizeibeamtin)

„Es muss dafür gesorgt werden, dass das bisher Erreichte konsolidiert und weiter entwickelt wird, auch wenn sich in den verschiedenen Institutionen personelle Wechsel ergeben. Wissen und Erfahrung dürfen nicht mit den Frauen der ersten Generation des Berner Modells in Pension gehen.“ (Beatrice Ritter, früher Untersuchungsrichterin, heute Staatsanwältin)

„Was unsere Arbeit anbelangt, nämlich die Beratung von Opfern häuslicher Gewalt, gibt es noch Verbesserungspotential bei den Angeboten für Täter. In einigen Fällen wären wir froh, wenn Männer offensiver angesprochen würden und wir mit einer Partnerorganisation zusammenarbeiten könnten, die in Kontakt mit dem Täter steht.“ (Sabine Sequin, Psychologin, Frauenhaus Bern)

„Aktuell arbeiten wir daran, die Untersuchung von Tatverdächtigen zu optimieren und die Ergebnisse infektiologischer Untersuchungen (zum Beispiel auf HIV) den die Frau behandelnden Ärzten zukommen zu lassen. Dies ist wichtig, damit betroffene Frauen bei negativem Ergebnis nicht unnötig lange eine medikamentöse Prophylaxe gegen HIV einnehmen müssen, da diese starke Nebenwirkungen hat und somit sehr belastend sein kann.“ (Corinna Schön, Oberärztin, Institut für Rechtsmedizin IRM)

„In der Lehre, gerade vor Juristen, legte ich Wert auf den Begriff der Einvernehmlichkeit. Es gilt zu überprüfen, ob ein ‚Ja‘ eines Mädchens, einer Frau wirklich einvernehmlich war oder unter Druck oder Drogen und Alkoholeinfluss zustande kam. Gerade im Zusammenhang mit sogenannten ‚Gang Bang‘-Vorfällen wurde mir das wichtig. Auch heute fällt mir immer wieder auf, dass sich viele Jugendliche selbst immer noch nicht bewusst sind, wo die Grenzen einvernehmlicher sexueller Handlungen sind.“ (Ursula Klopfstein, Fachärztin für Rechtsmedizin und Schulärztin)

„Eine wichtige Hilfe war es zum Beispiel, dem Opfer (von häuslicher Gewalt) eine Visitenkarte mitzugeben und die Möglichkeit aufzuzeigen, Dinge, die mündlich nicht gesagt werden konnten, in einem Brief abzufassen und nachzureichen.(...) Das Vertrauen ist schneller verchachelt als wieder hergestellt. (Christine Kobel, Polizeibeamtin, heute im Ruhestand)

„Die Menschen ändern sich ja nicht so schnell. Es wird noch sehr lange entscheidend sein, dran zu bleiben am Gewaltproblem. Und zwar auf jeder Ebene. Gewalt und Missbrauch können auf sehr leisen Sohlen spazieren.“ – „Die Unterdrückung von Frauen machte mich wütend, verletzte mein Gerechtigkeitsgefühl. Ich fühlte mich verbunden mit den anderen Frauen (...) und wenn ihnen Unrecht geschah, fühlte ich mich auch betroffen.“ (Marianne Hammer, Anwältin)

„Da sind zum Bespiel auch die vielen mutigen Frauen, die sich irgendwo in dieser Welt, trotz aussichtsloser, widrigster Umstände, trotz persönlicher Bedrohungen und oft beträchtlichem, persönlichem Risiko weiterhin laut und tatkräftig und fantasievoll gegen Gewalt und für ihr Recht auf sexuelle Gesundheit einsetzen.“ (Christa Spycher, Ärztin für psychosoziale Medizin, heute im Ruhestand)

„Mich bewegt es zu sehen, wie die Betroffenen durch eine solches Ereignis „einfach so“ den Boden unter den Füssen weggezogen bekommen. Ebenso die gelegentliche Unterschätzung der Auswirkung eines solchen Erlebnisses durch z.B. Arbeitgeber, Bekanntenkreis, Familie, Partner.“ (Cornelia Englmann, Fachärztin für Gynäkologie, Zentrum für Familienplanung Bern)

„Ich denke, dass die Verletzung der sexuellen Integrität eine der traumatischsten Erfahrungen ist, die einem Menschen widerfahren kann. Es ist mir ein grosses Anliegen, weibliche Betroffene bei der Bewältigung dieses Traumas zu unterstützen.“ (Ursula Stalder, Sozialarbeiterin und Systemtherapeutin, Lantana)

„Eine Vergewaltigung kann zu massiven Spätfolgen führen und das Leben in grossem Masse beeinträchtigen. Aus diesem Grund habe ich Zusatzausbildungen absolviert um das nötige Rüstzeug zu bekommen, solche Spätfolgen besser therapieren zu können.“ (Eelke Schmutz, Fachärztin Psychiatrie und Psychotherapie, heute im Ruhestand)

„In der Psychotherapie helfe ich sexuell traumatisierten Frauen, ihre Erfahrungen zu verarbeiten, Ängste abzubauen, wieder eine liebevolle Beziehung zu ihrem eigenen Körper zu entwickeln, sich abzugrenzen und eigene Interessen durchzusetzen.“ (Muriel Kämpfen, Psychologin/Psychotherapeutin)











Christine SIeber ist Beraterin und Sexualpädagogin in unserem Zentrum für Familienplanung.

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